Das Bundesarbeitsgericht (BAG) sieht keinen Anspruch auf einen gesetzlichen Mindestlohn für Pflichtpraktika, die nach einer hochschulrechtlichen Bestimmung Zulassungsvoraussetzung für die Aufnahme eines Studiums sind. Die Klägerin beabsichtigte, sich an einer privaten (staatlich anerkannten) Universität um einen Studienplatz im Fach Humanmedizin zu bewerben. Nach der Studienordnung ist u.a. die Ableistung eines sechsmonatigen Krankenpflegedienstes Zugangsvoraussetzung für den Studiengang. Vor diesem Hintergrund absolvierte die Klägerin bei einem Krankenhaus ein gut sechsmonatiges Praktikum auf einer Krankenpflegestation. Die Zahlung einer Vergütung wurde nicht vereinbart. Unter Berufung auf das Mindestlohngesetz (MiLoG) verlangte die Klägerin im Nachgang eine Vergütung in Höhe von insgesamt 10.269,85 € brutto und begründete dies damit, dass ein Vorpraktikum vor Aufnahme eines Studiums kein Pflichtpraktikum im Sinne des MiLoG sei, so dass die gesetzliche Ausnahme von der Vergütungspflicht nicht greife. Ein weiterer Grund sei die Praktikumsdauer von über 3 Monaten. Das BAG teilte diese Auffassung nicht und wies die Klage ab. Die Ausnahmeregelung nach dem MiLoG erfasse auch nach dem in der Gesetzesbegründung deutlich zum Ausdruck kommenden Willen des Gesetzgebers nicht nur obligatorische Praktika während des Studiums, sondern auch solche, die in Studienordnungen als Voraussetzung zur Aufnahme eines bestimmten Studiums verpflichtend vorgeschrieben sind. Dem stehe nicht entgegen, dass die Studienordnung von einer privaten Universität erlassen wurde, da diese Universität staatlich anerkannt sei. Hierdurch sei die von der Hochschule erlassene Zugangsvoraussetzung im Ergebnis einer öffentlich-rechtlichen Regelung gleichgestellt und damit gewährleistet, dass durch das Praktikumserfordernis in der Studienordnung nicht der grundsätzlich bestehende Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn für Praktikanten sachwidrig umgangen wird.
Fazit: Angehende Medizinstudentinnen und -studenten haben für ein Pflichtpraktikum vor Studienbeginn keinen Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn. Das gilt auch bei einer staatlich anerkannten Privathochschule und auch bei Praktika, die länger als drei Monate dauern.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 19. Januar 2022 (Az.: 5 AZR 217/21)