Der Anspruch eines Arbeitnehmers auf bezahlten Jahresurlaub erlischt in der Regel nur dann am Ende des Kalenderjahres, wenn der Arbeitgeber ihn zuvor über seinen konkreten Urlaubsanspruch und die Verfallfristen belehrt und der Arbeitnehmer den Urlaub dennoch aus freien Stücken nicht genommen hat. Dies entschied das Bundesarbeitsgericht (BAG) im Falle eines wissenschaftlichen Angestellten, der nicht genommenen Urlaub im Umfang von 51 Arbeitstagen aus zwei Jahren mit einem Bruttobetrag iHv. 11.979,26 Euro abgegolten haben wollte. Einen Antrag auf Gewährung dieses Urlaubs hatte er während des Arbeitsverhältnisses nicht gestellt. Die Erfurter Richter bejahten in ihrem Urteil zwar den nach den gesetzlichen und arbeitsvertraglichen Vorgaben vorgesehenen Verfall von nicht bis zum Jahresende bzw. Ende März gewährten und genommenen Urlaubs, vgl. § 7 Abs. 3 Satz 1 Bundesurlaubsgesetz (BUrlG). Das gelte nach bisheriger Rechtsprechung sogar für den Fall, dass der Arbeitnehmer den Arbeitgeber rechtzeitig, aber erfolglos zur Urlaubsgewährung aufgefordert hatte. Allerdings könne der Arbeitnehmer unter bestimmten Voraussetzungen Schadensersatz verlangen, der während des Arbeitsverhältnisses auf Gewährung von Ersatzurlaub und nach dessen Beendigung auf Abgeltung der nicht genommenen Urlaubstage gerichtet sei.
Mit dieser Fortsetzung der Rechtsprechung hat der Senat die Vorgaben des Gerichtshofs der Europäischen Union aufgrund der diesbezüglichen Vorabentscheidung (EuGH, Urteil vom 06.11.2018 – C-619/16; C-684/16) umgesetzt. Nach Maßgabe des Bundesurlaubsgesetzes sei es zwar dem Arbeitgeber vorbehalten, die zeitliche Lage des Urlaubs unter Berücksichtigung der Urlaubswünsche des Arbeitnehmers festzulegen. Entgegen der Annahme der Vorinstanz zwinge die Vorschrift den Arbeitgeber damit nicht, dem Arbeitnehmer von sich aus Urlaub zu gewähren. Allerdings obliege ihm unter Beachtung von Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG (Arbeitzeitrichtlinie) die Initiativlast für die Verwirklichung des Urlaubsanspruchs. Nach der Rechtsprechung des EuGH sei der Arbeitgeber gehalten, „konkret und in völliger Transparenz dafür zu sorgen, dass der Arbeitnehmer tatsächlich in der Lage ist, seinen bezahlten Jahresurlaub zu nehmen, indem er ihn – erforderlichenfalls förmlich – auffordert, dies zu tun“. Der Arbeitgeber habe daher klar und rechtzeitig mitzuteilen, dass der Urlaub am Ende des Bezugszeitraums oder eines Übertragungszeitraums verfallen wird, wenn der Arbeitnehmer ihn nicht nimmt. Bei einer richtlinienkonformen Auslegung des Bundesurlaubsgesetzes könne der Verfall von Urlaub daher in der Regel nur eintreten, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zuvor konkret aufgefordert hat, den Urlaub zu nehmen, und ihn klar und rechtzeitig darauf hingewiesen habe, dass der Urlaub anderenfalls mit Ablauf des Urlaubsjahres oder Übertragungszeitraums erlischt.
Fazit: Folge dieser Entscheidung wird sein, dass Arbeitgeber mehr als zuvor in die Pflicht genommen werden, darauf zu achten, dass Arbeitnehmer ihren Urlaub auch tatsächlich nehmen. So sollte konkret zum Urlaubsantritt aufgefordert und rechtzeitig auf den sonst eintretenden Verfall hingewiesen werden. Wichtig ist in diesem Zusammenhang eine angemessene Dokumentation dieser Hinweise und die Sicherung des Zugangs beim Arbeitnehmer. Auch sollte bei der Gestaltung von Arbeitsverträgen die genannte Rechtslage berücksichtigt werden.
BAG, Urteil vom 19.02.2019 (Az.: 9 AZR 541/15)