Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichtes (BVerfG) hat heute entschieden, dass das in § 217 StGB verankerte Verbot der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung in der aktuellen Form mit dem Grundgesetz unvereinbar und damit nichtig ist. Der im Jahr 2015 eingeführte Tatbestand verstosse insbesondere gegen das Selbstbestimmungsrecht Sterbewilliger. Das Recht auf selbstbestimmtes Sterben schließe die Freiheit ein, sich das Leben zu nehmen und hierzu auch auf Angebote Dritter zurückgreifen zu können.
Das BVerfG hatte sechs Verfassungsbeschwerden zu prüfen, die im Rahmen der Entscheidung verbunden wurden. Die Beschwerdeführer argumentierten mit dem Selbstbestimmungsrecht: Wenn Betroffene ihren Wunsch zu sterben nicht selbst verwirklichen können oder wollen, sollte (ärztliche) Hilfe nach ihren Vorstellungen den Suizid ermöglichen. Nach der mündlichen Verhandlung im April 2019 ließen sich die Karlsruher Richter mehr als ein dreiviertel Jahr Zeit zur Beratung.
Der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Andreas Voßkuhle, betonte bei der Urteilsverkündung, es bestehe weiterhin kein Anspruch gegenüber Dritten auf Beihilfe zum Suizid und damit auch nach wie vor keine Verpflichtung behandelnder Ärztinnen und Ärzten, auf Wunsch des Patienten aktiv zu werden.
Grundsätzlich löst die Entscheidung des BVerfG keinen unmittelbaren Anspruch auf ein bestimmtes Handeln des Gesetzgebers aus. Die Karlsruher Richter führten jedoch bereits dazu aus, dass eine Regulierung durch den Gesetzgeber – auch im StGB- grundsätzlich möglich sei. So seien konkrete Sicherungsmaßnahmen, Erlaubnisvorbehalte oder Verbote besonders gefährlicher Maßnahmen denkbar. Materielle Kriterien allerdings wie etwa die Voraussetzung, unheilbar erkrankt zu sein, wären wiederum verfassungswidrig und als ungerechtfertigter Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht Sterbewilliger zu werten.
Interessant wird auch die Auswirkung sein, die die Entscheidung auf das den Sterbewunsch „unterstützende Verhalten“ des Staates hat. Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hatte in 2017 geurteilt, das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) habe schwer kranken, stark leidenden Patientinnen und Patienten den Erwerb von Suizidmedikamenten zu gestatten. Die Leipziger Richter nahmen vorweg, dass die behördliche Erteilung einer Erwerbserlaubnis für tödliche Betäubungsmittel mit der geschäftsmäßigen Suizidassistenz von Sterbehilfevereinen nicht zu vergleichen sei. Das Gesundheitsministerium jedoch wies das BfArM bisher an, entsprechende Anträge bis auf Weiteres abzulehnen.