BGH: Isolierte Veräußerung des Patientenstamms unwirksam

Zahnärztinnen und Zahnärzte dürfen ihren Patientenstamm  – auch „Goodwill“ genannt – nicht isoliert verkaufen. Ein entsprechender Kaufvertrag ist nach der Auffassung des Bundesgerichtshofs (BGH) gemäß § 134 BGB nichtig. Da es sich im verhandelten Fall um bayrische Zahnärzte handelte, verwiesen die Karlsruher Richter in ihrem Hinweisbeschluss zunächst auf die Berufsordnung für die Bayerischen Zahnärzte, welche es nicht gestattet, für die Zuweisung von Patienten ein Entgelt zu fordern, sich versprechen oder gewähren zu lassen oder selbst zu versprechen oder zu gewähren. Bei dieser Vorschrift handele es sich um ein Verbotsgesetz im Sinne des § 134 BGB. Das Verbot der isolierten Verwertung des Patientenstammes stelle keinen ungerechtfertigten Eingriff in die freie Ausübung des Berufes nach Art. 12 GG dar und es handele sich bei dem Patientenstamm nicht um eine dem „veräußernden Arzt“ zuzuordnende, von der Eigentumsgarantie des Art 14 GG geschützte Rechtsposition. Der Schutz der ärztlichen Unabhängigkeit und der freien Arztwahl stehe insofern im Vordergrund. Ein standesrechtlicher Verstoß liege auch dann vor, wenn sich Zahnärztinnen und Zahnärzte gegen Entgelt dazu verpflichten, ihre Patienten zur Fortsetzung der Behandlung durch die Erwerberin oder den Erwerber zu bewegen, insbesondere eine Rufumleitung für Anrufe einzurichten oder eine ausdrückliche Empfehlung (zur „Übernahme der Patienten“) auszusprechen. Solche speziellen „Werbemaßnahmen“ für übernehmende Kollegen könnten sogar wegen Bestechlichkeit und Bestechung (§§ 299a, 299b StGB) im Gesundheitswesen strafbar sein, ließ der BGH verlauten. Dies werde verstärkt durch die zusätzlich vereinbarte Übergabe der Patientenkartei.

Fazit: Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass sich das zitierte Zuweisungsverbot auch in den einschlägigen Länderberufsordnungen bzw. der Musterberufsordnung für Ärztinnen und Ärzte (vgl. § 31 Abs. 1 MBO-Ä) wiederfindet, so dass sich diese Rechtsprechung 1:1 auf die ärztliche Praxis übertragen lässt. Entscheidend ist daher, dass eine (zahn-)ärztliche Praxis im Ganzen (Goodwill lediglich als Teil des Sachwertes der Praxis, Übernahme praxisbezogener Verträge etc.) verkauft wird und dies aus dem Kaufvertrag deutlich hervorgeht. Der BGH-Beschluss überrascht nach hiesiger Auffassung eher in seiner Kompromisslosigkeit bezüglich der so genannten „Überleitungsmaßnahmen“. Denn es ist durchaus berufsrechtskonform, seine Patientinnen und Patienten auf eine geplante oder erfolgte Praxisübernahme sachlich hinzuweisen. Der Grat zur berufsrechtlich unzulässigen oder gar strafrechtlich relevanten Empfehlung des Praxiserwerbers ist jedoch nun schmaler denn ja. Wir empfehlen daher einen rein sachlichen Hinweis darauf, dass die Praxis übernommen bzw. abgegeben wird, ohne konkreter auf die Expertise des Praxisübernehmers einzugehen oder eine Empfehlung zur Weiterbehandlung auszusprechen. Der BGH stellte im streitgegenständlichen Fall hierzu klar, „dass es (…) nicht darum geht, dass (…) das Empfehlen eines Nachfolgers, insbesondere auf konkrete Nachfrage ihrer Patienten, generell verboten wäre. Vielmehr geht es darum, dass sie sich hierfür von dem „Nachfolger“ kein Entgelt versprechen lassen darf. Denn in diesem Fall ist nicht sichergestellt, dass die Empfehlung – wie nach (…) der Berufsordnung erforderlich – allein aufgrund sachlicher Erwägungen erfolgt und hierfür nicht auch finanzielle Interessen ausschlaggebend sind.“

BGH, Beschluss vom 09.11.2021 (Az.: VIII ZR 362/19)