BSG: Arztgruppendurchschnitt auch für angestellte Jungärzt:innen in Einzelpraxis

Das Bundessozialgericht (BSG) stellte in einer Entscheidung klar, dass auch angestellte Jungärzte in neu gegründeten Einzelpraxen bei der Honorarverteilung anteilig ein Wachstum bis zum Gruppendurchschnitt beanspruchen dürfen. Im streitgegenständlichen Fall ging es um das Budget einer von einem erfahrenen Vertragsarzt neu gegründeten Einzelpraxis, in welcher ein so genannter „Jungarzt“ angestellt wurde, welcher bislang noch nicht vertragsärztlich tätig war. Die zuständige KV war der Ansicht, der Praxisgründer selbst habe in seiner länger als drei Jahre dauernden vertragsärztlichen Tätigkeit im selben Planungsbereich unterdurchschnittlich abgerechnet und könne daher keinen Wachstumsschutz beanspruchen; diese Auffassung teilte das BSG. Die Einschätzung der KV jedoch, dass der angestellte Arzt quasi als „Annex“ zum Praxisinhaber zu behandeln sei und damit die Wachstumsregeln auch für ihn keine Anwendung fänden, wurde vom BSG abgelehnt. Bei der Berechnung des Jungarzt-Honorars sei vielmehr ein individuelles Leistungsbudget in Höhe des arztgruppendurchschnittlichen individuellen Leistungsbudgets zu Grunde zu legen. Nach ständiger Rechtsprechung folge aus dem Gebot der Honorarverteilungsgerechtigkeit, dass unterdurchschnittlich abrechnenden Jungärzten in einer Aufbauphase von mindestens drei Jahren die Möglichkeit gegeben werden müsse, ihr Honorar sofort bis zum Fachgruppendurchschnitt zu steigern.

Fazit: Die zunächst für Einzelpraxen ohne Angestellte entwickelten Wachstumsregeln wurden in der Rechtsprechung des Senats für kooperative Berufsausübungsformen im Sinne eines doppelten Erfordernisses in der Vergangenheit weiterentwickelt. Danach müssen sich sowohl BAG und MVZ als auch die dort tätigen Ärzt:innen in der Aufbauphase befinden. Der Senat stellt nunmehr klar, dass die genannten Maßstäbe auch für Vertragsärzt:innen (Einzelpraxen) mit angestellten Ärzt:inenn gelten. Diese Auffassung ist zu begrüßen, da für angestellte Ärzt:innen in Einzelpraxen nichts anderes gelten darf als für solche in MVZ oder BAG. Dass für Praxisgründer:innen selbst kein Wachstumsschutz, für angestellte Ärzt:innen dieser aber sehr wohl greifen kann, wird künftig von allen KVen im Rahmen der Honorarverteilung zu beachten sein.

BSG, Urteil vom 19. Juli 2023, Az. B 6 KA 22/22 R