BSG: Gemeinsamer Bereitschaftsdienst von Privat- und Vertragsärzten zulässig

Das Bundessozialgericht (BSG) urteilte in drei Fällen zu Rechtsfragen im Zusammenhang mit der im Hessischen Heilberufsgesetz (der Berufsordnung der Landesärztekammer und der entsprechenden Bereitschaftsdienstordnung) geregelten Verpflichtung von in eigener Praxis tätigen Privatärzten, am ärztlichen Bereitschaftsdienst der beklagten KV teilzunehmen und sich an dessen Kosten zu beteiligen. KV und Ärztekammer dürften auf Landesebene einen gemeinsamen Bereitschaftsdienst von Privat- und Vertragsärzten organisieren und diesen bei der KV ansiedeln, so die Kasseler Richter. Die KV sei insofern befugt, Beitragsbescheide auch gegenüber Privatärzten zu erlassen, sofern KV und Kammer die Beiträge zur Finanzierung des Bereitschaftsdienstes auf „nachvollziehbarer Grundlage“ erheben. Geklagt hatte im vorliegenden Fall ein niedergelassener Arzt in eigener Praxis, der ausschließlich privatärztlich tätig ist. Auf seinen Antrag befreite ihn die KV aus Altersgründen von der Teilnahme am ärztlichen Bereitschaftsdienst. Zugleich teilte sie ihm mit, dass unabhängig von dieser Befreiung eine Beteiligung an den Kosten des ärztlichen Bereitschaftsdiensts bestehen bleibe. Dieses Vorgehen bestätigte das BSG, indem es sich darauf zurückzog, dass weder Landes- noch Satzungsrecht der Landesärztekammer und der KV eine Kostenbefreiung für Privatärzte vorsehe. Auch das Bundes- beziehungsweise Verfassungsrecht schließe eine verpflichtende Teilnahme und Kostenbeteiligung von niedergelassenen Privatärzten am ärztlichen Bereitschaftsdienst der Beklagten nicht von vornherein aus. Zwar stelle die Heranziehung eines Nichtvertragsarztes zur Teilnahme und Kostenbeteiligung am ärztlichen Bereitschaftsdienst einen Eingriff in die Berufsfreiheit dar und bedürfe einer gesetzlichen Ermächtigung; diese liege mit dem Hessischen Heilberufsgesetz jedoch vor. Mit dem in Hessen seit 2019 neu eingeführten Modell der verpflichtenden Einbeziehung der Privatärzte in nur noch einen ärztlichen (KV-)Bereitschaftsdienst werde der legitime Zweck verfolgt, eine unnötige organisatorische Doppelgleisigkeit im Bereitschaftsdienst zu vermeiden. Auch der Kläger ziehe aus der Organisationsstruktur den Vorteil, dass er durch den ärztlichen Bereitschaftsdienst bei der Versorgung von Notfällen entlastet werde.

In einem zweiten Fall wurde die Höhe der Beiträge zur Finanzierung des Bereitschaftsdienstes kritisiert. Hierzu entschied das BSG, dass sich die Beitragsbescheide in der Höhe bislang auf keine ausreichende Rechtsgrundlage bezögen und nachvollziehbare Kriterien vermissen ließen.

Der Kläger im dritten Fall wendete sich mit Erfolg dagegen, dass er trotz einer Arbeitszeit von 14 Wochenstunden als selbständig Tätiger in vollem Umfang zum Bereitschaftsdienst herangezogen werde. Hierin sah das BSG eine unzulässige Ungleichbehandlung gegenüber in Teilzeit angestellten Ärzten, die bis zu 25 % reduzieren können.

Fazit: Die Frage, ob KVen und Kammern überhaupt die Rechtssetzungskompetenz haben, einen gemeinsamen ärztlichen Bereitschaftsdienst zu organisieren und ob in der Folge auch ein Privatarzt von der KV Bescheide erhalten darf, stellt sich seit der Zusammenlegung ärztlicher Bereitschaftsdienste in vielen landeseigenen KV- und Kammerbereichen. So verneinte das im vorliegenden Fall zuständige LSG die Befugnis der KV zum Erlass belastender Satzungsregelungen gegenüber Privatärzten. Unter anderem erfordere der Gesetzesvorbehalt, dass der Gesetzgeber zumindest in den Grundzügen die Voraussetzungen für die Pflichtteilnahme sowie eine Befreiung und die Finanzierung des ärztlichen Bereitschaftsdienstes festlege, so das LSG. Dies ist nun höchstrichterlich widerlegt, so dass sich künftig und in vergleichbaren Fällen auch Privatärzte anderer Kammerbereiche gefallen lassen müssen, KV-Bescheide in Sachen Bereitschaftsdienst zu erhalten. Allerdings -und das zeigen die Urteile im zweiten und dritten Fall- hat die KV das Zustandekommen der Beitragshöhe im Vorfeld zu regeln sowie selbständig tätigen Ärzten die Möglichkeit zu geben, den Bereitschaftsdienst entsprechend ihrer Arbeitszeit zu reduzieren.

BSG, Urteil vom 25. Oktober 2023, Az.: B 6 KA 16/22R, B 6 KA17/22 R, B 6 KA 20/22 R