BSG: „Pool-Arzt“ im Bereitschaftsdienst nicht automatisch selbständig

Ein Zahnarzt, der als so genannter „Pool-Arzt“ im vertragszahnärztlichen Notdienst tätig ist, geht nach Auffassung des Bundessozialgerichts (BSG) nicht deshalb automatisch einer selbständigen Tätigkeit nach, weil er an der vertragszahnärztlichen Versorgung teilnimmt.

 

Die Tätigkeit im vertragszahnärztlichen Notdienst fand im konkreten Fall in durch die Kassenzahnärztliche Vereinigung (KzV) angemieteten und durch diese mit Geräten, Material und Personal ausgestatteten Räumlichkeiten eines Notfalldienstzentrums statt. Der Notdienst wurde sowohl durch an der zahnärztlichen Versorgung teilnehmende Zahnärzte als auch durch nicht zugelassene Zahnärzte durchgeführt. Der betreffende Zahnarzt konnte der KzV seine Bereitschaft zur Übernahme konkreter Schichten erklären. Hiervon ausgehend teilte ihn die KzV nach ihrem Ermessen zu konkreten Schichten ein. Während einer Schicht waren neben dem Zahnarzt ein bis zwei zahnmedizinische Fachangestellte anwesend, die Assistenz- und Dokumentationstätigkeiten ausführten. Die Vergütung richtete sich nach der jeweiligen Schicht und lag pro Stunde zwischen 34 Euro und 50 Euro.

 

Sowohl die Deutsche Rentenversicherung Bund als auch die Sozialgerichte stuften die Tätigkeit des Zahnarztes als selbständige Tätigkeit ein, die keiner Sozialversicherungspflicht unterläge. Dies sah das BSG anders: In seiner Tätigkeit für die KzV im Rahmen des vertragszahnärztlichen Notdienstes sei der Zahnarzt unter anderem in einer seine Tätigkeit prägenden Weise in die durch die KzV vorgehaltenen Abläufe eingegliedert gewesen und unterliege damit der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung. Auf die von der KzV zur Verfügung gestellte personelle und materielle Ausstattung sei ein notdiensthabender Zahnarzt angewiesen. Ihm sei auch nicht das Recht eingeräumt worden, nach seinem Ermessen eine (qualifizierte) Vertretung zu organisieren. Vielmehr habe er nur mit einem anderen, am Notdienst im jeweiligen Quartal teilnehmenden Zahnarzt eine Schicht tauschen können. Unternehmerischer Spielraum ergebe sich daraus nicht. Vielmehr erweise sich seine Tätigkeit – abgesehen vom Kernbereich der medizinischen Behandlung – als fremdbestimmt. Besonderheiten des Vertragszahnarztrechts rechtfertigten darüber hinaus keine abweichende Entscheidung. Selbst wenn die Notdiensttätigkeit aufgrund eines Verwaltungsakts erbracht worden wäre, würde allein dadurch eine Beschäftigung nicht ausgeschlossen. Auch für Tätigkeiten im ärztlichen Notdienst bestimme sich der sozialversicherungsrechtliche Status nach den Gesamtumständen des Einzelfalls. Ungeachtet dessen war der Kläger nach seinen Vereinbarungen mit der KzV nicht berechtigt, die von ihm im Notdienst erbrachten Leistungen individuell abzurechnen. Er erhielt eine feste Stundenvergütung und sei daher nicht -wie ein regelmäßig selbstständiger Vertragszahnarzt- in die Strukturen des Vertragsarztsystems einbezogen gewesen.

 

Fazit: Ungewöhnlich an diesem Fall ist zunächst, dass der klagende Zahnarzt sein Verfahren bis in die letzte Instanz betrieben hat, um genau dieses Urteil zu erreichen. Auf seinen im Vorfeld gestellten Statusfeststellungsantrag hatte die Deutsche Rentenversicherung ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis verneint. Zuletzt berichteten wir im Zusammenhang mit der Sozialversicherungspflicht von Honorarärzt:innen und Praxisvertreter:innen. Es ist die klare Tendenz von Behörden und Gerichten zu verzeichnen, die berufliche Selbständigkeit zugunsten einer abhängigen Beschäftigung abzulehnen. Zwar berufen sich sämtliche Entscheidungsträger stets auf die Umstände des Einzelfalls und nehmen eine so genannte „Gesamtwürdigung“ vor, dennoch ist der Trend eindeutig. Selten hat jedoch ein Urteil aus diesem Bereich für so viel Aufmerksamkeit gesorgt wie das genannte. Vereinzelt kündigten als unmittelbare Reaktion darauf KVen an, sich von ihren Pool-Ärzten zu trennen und machten -gemeinsam mit der KBV- darauf aufmerksam, dass die Sicherstellung des ambulanten ärztlichen Bereitschaftsdienstes gefährdet sei. Jüngst fand hierzu sogar eine Anhörung ärztlicher Verbände im Arbeitsministerium statt. Von der Realisierung einer gesetzlichen Ausnahmeregelung für Pool-(Zahn)Ärzte im (zahn)ärztlichen Bereitschaftsdienst -ähnlich wie bei den Notärzten bereits geschehen- kann derzeit leider nicht ausgegangen werden. Dennoch gibt es Zusagen seitens der Politik, die KVen bei der Umsetzung des ärztlichen Bereitschaftsdienstes in Bezug auf den Einsatz von Pool-Ärzten nicht allein zu lassen. Wir werden über die Entwicklungen und weitere Empfehlungen berichten.

 

BSG, Urteil vom 24. Oktober 2023, Az. B 12 R 9/21 R