Der 6. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) bejahte die Möglichkeit der Verlegung einer genehmigten Anstellung von einem MVZ in ein anderes MVZ trotz abweichender Trägerschaft, sofern die Träger derselben Holding angehören.
Die betreffende MVZ M. GmbH beantragte die genehmigten Anstellungen zweier Fachärzte für Humangenetik zur beigeladenen MVZ L. GmbH sowie eines Facharztes für Innere Medizin zum beigeladenen MVZ E. zu verlegen. Alleingesellschafterin der jeweiligen verschiedenen Betreibergesellschaften der betroffenen MVZ ist die A. GmbH. Der Zulassungsausschuss lehnte den Antrag ab. Der beklagte Berufungsausschuss genehmigte hingegen die Verlegung der Anstellungen. Rechtsgrundlage für die Verlegung sei § 24 Absatz 7 Satz 2 Ärzte-ZV. Es genüge hierfür, dass die Betreibergesellschaften der beteiligten MVZ rechtlich identische Gesellschafter hätten. Das zuständige Sozialgericht hob die Beschlüsse des Berufungsausschusses auf und verurteilte ihn zur Neubescheidung. Nach Ansicht des Sozialgerichts erfasse § 24 Absatz 7 Satz 2 Ärzte-ZV gerade nicht die Verlegung einer genehmigten Anstellung von einer zu einer anderen juristischen Person. Der Gesetzgeber habe mit dieser Vorschrift nur sicherstellen wollen, dass keine Benachteiligung von MVZ gegenüber Vertragsärzten erfolge. Jedoch sei keine Besserstellung von MVZ bezweckt, indem ihnen – als juristische Personen des Privatrechts – anders als niedergelassenen Vertragsärzten erlaubt werde, genehmigte Anstellungen ihrer Beschäftigten von einer GmbH zu einer anderen GmbH zu verlegen. Chancengleichheit bestehe nur, wenn die Verlegung genehmigter Anstellungen auf MVZ in gleicher Trägerschaft beschränkt bleibe. Da hier die betroffenen MVZ verschiedene Betreibergesellschaften hätten, komme eine Verlegung nicht in Betracht. Der Berufungsausschuss führte wiederum dagegen an, aus der Entstehungsgeschichte der Vorschrift folge, dass auch die Verlegung von Anstellungsgenehmigungen zwischen MVZ möglich sei, deren unterschiedliche Betreibergesellschaften identische Gesellschafter hätten. Die MVZ würden durch diese Möglichkeit der Verlegung von genehmigten Anstellungen auch nicht gegenüber Vertragsärzten bessergestellt.
Das BSG teilte im Ergebnis die Auffassung des Berufungsausschusses. Hierbei stützte sich das BSG unter anderem auf eine Begründung im Referentenentwurf aus dem Jahr 2015, wonach die Möglichkeit zur „Verlegung einer genehmigten Anstellung“ auch für MVZ in gleicher Trägerschaft nachträglich der Zusatz „oder gleicher Gesellschafter“ eingefügt wurde. Dies sei laut BSG in der Sache auch gerechtfertigt. Der Unterschied zwischen Träger und Gesellschafter sei nur in KVen relevant, die wie Hamburg früher für jedes MVZ eine eigene TrägerGmbH verlangt hatten. 2019 habe der Gesetzgeber dann zusätzlich klargestellt, dass – wie bislang schon in anderen KVen – eine GmbH Träger mehrerer MVZ sein kann. Eher zufällige frühere Unterschiede dürften nicht zu unterschiedlichen Gestaltungsspielräumen der Gesellschafter führen; hier sei eine Gleichbehandlung und einheitliche Rechtsanwendung geboten. Wenn eine MVZ-GmbH mehrere Einrichtungen betreiben und Anstellungen und Sitze untereinander verlegen kann, müsse das auch anderen MVZ-Gesellschaften gestattet sein, die einer gemeinsamen Dachgesellschaft gehören, handelsrechtlich jedoch voneinander vereinzelt auftreten.
Fazit:
Das Urteil wird zweifelsohne zu einer Vereinheitlichung der Zulassungspraxis führen, so dass sich Verlegungen von Arztanstellungen künftig nicht ausschließlich an der unmittelbaren Trägerschaft orientieren müssen, sofern es einen entsprechenden Überbau gibt. Um die Folgen dieser Rechtsprechung zu verdeutlichen, scheint es geboten, zumindest im Fazit darauf hinzuweisen, dass es sich bei der streitbetroffenen Holding um die AmedesGruppe in Hamburg handelt, die flächendeckend Praxen aufgekauft und in MVZ-Strukturen überführt. Bundesweit über 70 Labor-, MVZ- und Praxisstandorte umfasst der Konzern mittlerweile. Die Entscheidung des BSG hat dem Großkonzern somit noch ein wenig mehr unternehmerischen Spielraum beschert.
Fast ebenso wichtig in diesem Fall ist jedoch der Appell des BSG an den Gesetzgeber, alle zulassungsrechtlichen Kernfragen gesetzlich hinreichend zu regeln. Die Ärzte-ZV habe als Verordnung keinen Gesetzesrang und stehe daher in vielen Grenzbereichen auf wackeligen Füßen. Schon das Bundesverfassungsgericht hatte im Jahr 2016 betont, dass die Ärzte-ZV eine Verordnung sei und dass daher sämtliche Regelungen einer gesetzliche Grundlage bedürfen. Insbesondere Eingriffe in Grundrechte wie die Berufsfreiheit gehörten direkt in ein Gesetz. In der Realität stützten sich weite Teile der Ärzte-ZV jedoch nur auf eine gesetzliche Generalklausel. Das BSG erkannte im vorliegenden Fall, dass natürlich auch Verlegungen von Anstellungsgenehmigungen von einem MVZ zum anderen für beide beteiligten MVZ unmittelbar statusrelevant seien, weil sich die Zahl der jeweils zu erfüllenden Versorgungsaufträge ändere. Vergleichbare statusrelevante Fragen gehörten in der Regel im Sozialgesetzbuch V und nicht in der Ärzte-ZV geregelt. Da andererseits die durch das Grundgesetz geschützte berufliche Betätigungsfreiheit der Träger von MVZ durch die streitgegenständliche Regelung erweitert und nicht eingeschränkt werde, sei diese „gerade noch zulässig“. BSG, Urteil vom 30.09.2020 (Az.: B 6 KA 18/19 R)