Einbeziehung anderer Bedarfsplanungsregionen

Das BSG gab in diesem Urteil der Revision gegen die Ablehnung eines Sonderbedarfs für hämatologische und onkologische Leistungen eines MVZ statt, weil das betreffende MVZ mit seinem hälftigen Versorgungsauftrag in Höhe von 20 Wochenstunden den bestehenden Bedarf möglicherweise nicht abdecken könne und andere hämatologisch tätige Praxen nicht über freie Behandlungskapazitäten verfügten bzw. für die Versicherten nicht zumutbar erreichbar seien. Im ländlichen Raum sei im Hinblick auf die Erreichbarkeit auf die Zeit abzustellen, die man mit dem PKW benötige. Aus jedem Ort des engeren Einzugsbereichs des MVZ war eine andere hämatologische Praxis in weniger als 45 Minuten erreichbar. Das sei nach der Regelungsintention des Gesetzgebers bei der Neuausrichtung der Bedarfsplanung zumutbar. Der Senat hält zwar daran fest, dass für die hausärztliche Versorgung und für die allgemeine fachärztliche Versorgung, bei der der Landkreis weiterhin Planungsbereich ist, Wege von mehr als 25 km in aller Regel nicht zumutbar seien. Für die spezialisierte fachärztliche Versorgung könne das so nicht gelten, da anderenfalls die Entscheidung, dass insoweit die Raumordnungsregion und nicht der Kreis die maßgebliche Planungseinheit sei, leerlaufen würde. Es gebe keinen bundesrechtlichen Grundsatz, der es von vornherein ausschließen würde, Praxen aus einer anderen Raumordnungsregion in die Prüfung einer Bedarfsdeckung einzubeziehen. Allerdings dürfe das System einer auf Planungsbereiche abstellenden Planung nicht unterlaufen werden. Bevor also die Zulassungsgremien solche Praxen im Rahmen der Bedarfsdeckung berücksichtigen, müssten sie genau prüfen, ob diese Praxen nicht den Bedarf in ihrer eigenen Region abdecken und eventuell dort vorhandene Kapazitäten schon zur (fiktiven) Bedarfsdeckung in Verfahren von zulassungswilligen Ärzten aus dieser Region herangezogen worden sind. Dass an den vom Standort des MVZ und Umgebung aus zumutbar erreichbaren Praxisstandorten in hinreichendem Umfang freie Kapazitäten bestünden, stand nach Auffassung des BSG nicht mit der notwendigen Gewissheit fest.

Fazit:

Neben der Bestätigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung der letzten Jahre zu den Voraussetzungen der Erreichbarkeit von Praxen in der hausärztlichen, allgemein fachärztlichen und spezialisierten fachärztlichen Versorgung sowie der Möglichkeit, als Zulassungsgremium bei der Sonderbedarfsprüfung auch bedarfsplanungsübergreifend zu agieren, wird in dem vorliegenden Urteil noch ein weiterer interessanter Aspekt klargestellt. Grundsätzlich dürften Angaben über freie Kapazitäten umliegender Praxen (reale Fallzahl der Praxis und Verhältnis zum Durchschnitt) von den Zulassungsgremien auch ohne Einverständnis der Praxen über die KV ermittelt werden. Diese Angaben seien dann erforderlich im Sinne der datenschutzrechtlichen Vorschriften, wenn nach Auswertung aller anderen Umstände ein Sonderbedarf weder offensichtlich vorliege noch offensichtlich ausscheide. Wenn ohne die Kenntnis dieser Zahlen eine fundierte Entscheidung über den Sonderbedarf nicht möglich sei, habe das Interesse daran Vorrang vor dem Geheimhaltungsinteresse der betroffenen Praxen. Die Daten seien allerdings soweit wie möglich zu anonymisieren. Bei kleinen Facharztgruppen werde man daher jedoch hinnehmen müssen, dass einzelne Praxen identifizierbar sind.

BSG, Urteil vom 17.03.2021 (Az.: B 6 KA 2/20 R)