EuGH: Erste Kopie der Patientenakte ist kostenlos

Patienten sollen nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) von ihrem Arzt die erste Kopie ihrer Patientenunterlage kostenfrei verlangen dürfen. Erst bei einer Vervielfältigung seien Ärztinnen und Ärzte berechtigt, Kostenersatz zu verlangen. Anderslautende deutsche Regelungen würden gegen die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) verstoßen, so die Luxemburger Richter. Zudem müsse der Antrag von den Patientinnen und Patienten nicht begründet werden. Im streitgegenständlichen Fall verlangte ein Patient von seiner Zahn­ärztin eine Kopie seiner Unterlagen, weil er einen Behandlungsfehler vermutete. Die Zahnärztin forderte jedoch, dass er – wie nach deutschem Recht gemäß § 630 g Absatz 2 Satz 2 BGB vorgesehen – die Kosten dafür übernimmt. Der EUGH stellte fest: Der Datenschutz soll ein „gleichmäßiges und hohes Schutzniveau für natürliche Personen“ gewährleisten. Selbst wenn das für Ärztinnen und Ärzte Zeit und Aufwand bedeute, müssten die wirtschaftlichen Interessen der Behandler zurückstehen, damit das Auskunftsrecht der DSGVO praktisch wirksam ist. Wichtig sei auch, dass die Kopie vollständig sei, damit keine relevanten Daten ausgelassen oder falsch wiedergegeben werden.

Fazit: Der BGH legte diesen Fall dem EuGH zur Vorabentscheidung vor, um dessen Auslegung der DSGVO bei seiner Entscheidung berücksichtigen zu können. Über den konkreten Fall muss nun noch auf nationaler Ebene entschieden werden. Ob hier überhaupt ein Spielraum gegeben ist, das Ergebnis der EUGH-Entscheidung zu „umgehen“ und eine Kostenübernahme durch Patientinnen und Patienten zu begründen, wird sich zeigen. Bis zur Entscheidung dieser Frage sollten Ärztinnen und Ärzte zumindest den Patientinnen und Patienten, die Kostenfreiheit bei der Vervielfältigung ihrer Unterlagen begehren und sich dabei auf die DSGVO berufen, diese auch gewähren. Zügig müsste nach einer entsprechenden Entscheidung auf nationaler Ebene der Gesetzgeber Rechtssicherheit schaffen und eine europarechtskonforme Anpassung des nationalen Rechts vornehmen. Wir werden Sie selbstverständlich dazu informieren.

Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass der Generalanwalt in seinem Schlussplädoyer dem EUGH vorgeschlagen hatte, dass eine nationale Regelung -und damit meinte er § 630g BGB – die von Patienten verlangt, dass sie den Ärzten die entstandenen Kosten erstatten, mit der DSGVO sehr wohl vereinbar sei, „sofern die Beschränkung des Auskunftsrechts unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände im Hinblick auf die Ziele des Schutzes der öffentlichen Gesundheit und der unternehmerischen Freiheit der Ärzte erforderlich und verhältnismäßig ist“. Das nationale Gericht habe „insbesondere zu prüfen, ob die Kosten, deren Erstattung die Ärzte von den Patienten verlangen können, strikt auf die tatsächlich anfallenden Kosten beschränkt sind.“ Anders als im überwiegenden Teil der Fälle folgten die Europäischen Richter dem Vorschlag des Generalanwaltes jedoch nicht.

EuGH, Urteil vom 26. Oktober 2023, Az.: C-307/22