EUGH: Zuschlag für Teilzeitbeschäftigte von der ersten Überstunde an

Nach einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EUGH) haben Teilzeitbeschäftigte einen Anspruch auf Zahlung von Überstundenzuschlägen von der ersten Überstunde an, mit welcher sie die individuell vereinbarte Arbeitszeit überschreiten. Regelungen in Tarif- oder Arbeitsverträgen, die vorsehen, dass Teilzeitbeschäftigte erst dann einen Überstundenzuschlag erhalten, wenn ihre Arbeitszeit die Regelarbeitszeit von Vollzeitbeschäftigten überschreitet, seien nichtig. Beschäftigte in Teilzeit dürften nicht schlechter behandelt werden als Vollzeitbeschäftigte.

Im streitgegenständlichen Verfahren, das dem EuGH vom Bundesarbeitsgericht (BAG) vorgelegt worden war, ging es um einen Tarifvertrag, nach welchem Zuschläge für Überstunden nur für diejenigen Überstunden gezahlt werden, die über die kalendermonatliche Arbeitszeit von Vollzeitbeschäftigten hinausgehen. Die Klägerinnen, die mit einer Arbeitszeit von 40 Prozent beziehungsweise 80 Prozent der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit einer Vollzeitkraft beschäftigt waren, hatten auf Erteilung einer den Zuschlägen entsprechenden Zeitgutschrift sowie auf Zahlung einer Entschädigung nach § 15 Abs. 2 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) geklagt. Der EuGH hat in der tarifvertraglichen Regelung zum einen eine nicht gerechtfertigte Diskriminierung von Teilzeitbeschäftigten gesehen. Zum anderen geht der EuGH auch von einer mittelbaren Diskriminierung aufgrund des Geschlechts aus, wenn erwiesen ist, dass die tarifvertragliche Regelung einen signifikant höheren Anteil von Frauen im Vergleich zu Männern benachteiligt.

Das BAG hat sich nun unter Berücksichtigung der Auffassung des EUGH erneut mit der Sache zu befassen.

Fazit: Der EUGH bestätigte damit eine frühere Entscheidung, die Fluglotsen betraf. Das zitierte Urteil ist für angestellte Ärztinnen und Ärzte insofern relevant, als dass immer noch arztbezogene Tarifverträge existieren, die entsprechend nichtige Regelungen enthalten. Der Marburger Bund kündigte an, seine Tarifverträge unter Beachtung der bestätigten Entscheidung des EuGH zu prüfen. Sollte das BAG dem EUGH folgen -wovon auszugehen ist- wären Regelungen, die eine Überstundenvergütung erst ab Erreichen der Vollzeitgrenze vorsehen, nicht nur nichtig, sondern könnten auch einen Schadenersatzanspruch aufgrund unmittelbarer oder mittelbarer Diskriminierung nach sich ziehen.

EUGH, Urteile vom 29.07.2024 (Az. C-184/22 und C-185/22)