Kündigung eines Chefarztes wegen Wiederheirat unwirksam

Die Kündigung eines bei einem kirchlichen Träger tätigen Chefarztes aus Gründen der Wiederheirat ist unwirksam. Medizinische Fähigkeiten gingen der Einhaltung des Ehe-Sakraments vor, urteilte das Bundesarbeitsgericht (BAG) in einem Fall, bei dem aufgrund der Wiederheirat einem Chefarzt im Jahr 2009 gekündigt worden war. Diese Kündigung sei im Ergebnis diskriminierend und damit unwirksam.

Vorinstanzen:

Der betroffene Arzt hatte vor dem Arbeitsgericht, dem Landesarbeitsgericht und sogar dem BAG bereits im Jahr 2011 obsiegt. Das BAG führte schon damals aus, dass nach dem zu achtenden kirchlichen Selbstverständnis eine Verfehlung wie eine Wiederheirat zwar grundsätzlich einen Kündigungsgrund darstellen könne. Allerdings müsse auch hier eine angemessene Interessenabwägung im Einzelfall erfolgen, bei der die Loyalitätserwartungen und das Selbstverständnis des kirchlichen Arbeitgebers der Zumutbarkeit der Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers und auch seinem Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens gegenüberstünden.

Die Kirche rief das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) an und bekam recht. Die Karlsruher Richter beriefen sich in ihrer Begründung auf das verfassungsrechtlich verankerte Recht der Religionsgemeinschaften, ihre inneren Angelegenheiten zu regeln. Das BVerfG sah in dieser BAG-Argumentation eine Verletzung des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts. Zwar dürften staatliche Gerichte eine Plausibilitätskontrolle vornehmen. Die Formulierung des „kirchlichen Proprium“, also der wesentlichen liturgischen Elemente, obliege jedoch allein den Kirchen und sei als elementarer Bestandteil der korporativen Religionsfreiheit verfassungsrechtlich geschützt. Arbeitnehmer in kirchlichen Arbeitsverhältnissen verpflichteten sich zur Anerkennung, dass Zielsetzung und Tätigkeit, Organisationsstruktur und Leitung der Einrichtung, für die sie tätig sind, sich an der Glaubens- und Sittenlehre und an der Rechtsordnung der katholischen Kirche auszurichten haben. Zur Glaubenslehre der katholischen Kirche gehöre auch das Sakrament der Ehe. Hiernach sei die Ehe grundsätzlich unverbrüchlich und eine zweite Eheschließung vor den irdischen Standesämtern ein Verstoß gegen Kirchenrecht.

Das BAG seinerseits rief daraufhin den Europäischen Gerichtshof (EuGH) an und wollte von diesem geklärt wissen, ob die Argumentation des BVerfG gegen das unionsrechtliche Diskriminierungsverbot verstoße und den entsprechenden Anti-Diskriminierungsrichtlinien der EU zuwiderlaufe. Im September 2018 urteilte der EUGH, dass kirchliche Anforderungen an loyales Verhalten im Sinne des genannten Ethos eine Ungleichbehandlung zwischen Beschäftigten nur dann rechtfertigten, wenn diese im konkreten Fall „eine berufliche Anforderung (darstellen), die angesichts des Ethos der in Rede stehenden Kirche oder Organisation wesentlich, rechtmäßig und gerechtfertigt ist und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht“. Die Luxemburger Richter stellten also auf die von einem Chefarzt zu erwartenden medizinischen Fähigkeiten ab; ob sich dieser an das Sakrament der Ehe halte, sei bei der Krankenhausbehandlung wenig von Belang.

Entscheidungsgründe:

Die Erfurter Richter nahmen im vorliegenden Fall eine Diskriminierung insbesondere deshalb an, weil der kirchliche Arbeitgeber nicht-katholischen Mitarbeitern in gleicher Stellung im Falle der Wiederheirat nicht gekündigt hatte. Zudem sei das Sakrament der Ehe für die Tätigkeit als Chefarzt keine wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung. Das BAG stellte weiterhin fest, dass auch nationales Verfassungsrecht dieser Sichtweise nicht entgegenstünde. Das Unionsrecht dürfe verfassungsrechtlich zulässig Voraussetzungen aufstellen, unter denen die Kirche ihre Beschäftigten wegen der Religion ungleich behandeln dürfe. Die Verfassungsidentität des Grundgesetzes werde hierdurch nicht berührt.

Fazit: Innerhalb von nur vier Monaten beschäftigte sich das BAG nunmehr zwei Mal mit der Frage, wie stark das vom Grundgesetz verbriefte Selbstbestimmungsrecht der Kirchen in ihrer Funktion als Arbeitgeber tatsächlich greifen dürfe. Beide Male kann dies im Ergebnis nur als Schwächung des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts ausgelegt werden. So wurde Ende Oktober 2018 die Benachteiligung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz bejaht, weil eine Bewerberin aufgrund ihrer Konfessionslosigkeit von der Diakonie abgelehnt wurde (Az.: 8 AZR 501/14; wir berichteten). Das Gericht setzte den kirchlichen Trägern auch hier deutlich engere Grenzen. Es müsste vermutlich stets die Prüfung erfolgen, ob für bestimmte Tätigkeit die kirchlichen Vorgaben eine „wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung“ darstellen. Kern beider Urteile, so unterschiedlich auch die Sachverhalte bei Bewerbung und Kündigung sein mögen, ist damit im Grunde, dass im konkreten Arbeitsverhältnis die religiöse Grundkompetenz unverzichtbar sein muss. Die ist bei der ärztlichen Versorgung vermutlich in den seltensten Fällen so.