LSG Hessen erklärt Anästhesisten für scheinselbständig

Bei einem Facharzt für Anästhesiologie, der regelmäßig im Operationsbereich einer Klinik tätig ist, ist von einer abhängigen und damit sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung auszugehen. Damit begründete der 1. Senat des Hessischen Landessozialgerichts (LSG) seine Entscheidung zur Versicherungspflicht für einen auf Honorarbasis beschäftigten Anästhesisten. Grundsätzlich seien Tätigkeiten auf Weisung und die Eingliederung in die betriebliche Arbeitsorganisation Indizien für eine abhängige und nichtselbständige Beschäftigung. Aufgrund dessen sah das Gericht dies im konkreten Fall als gegeben an.

Der Facharzt für Anästhesiologie war allerdings für verschiedene Kliniken in deren Anästhesieabteilungen tätig, die Vergütung erfolgte jeweils auf Stundenbasis. Auf den Statusfeststellungsantrag einer Klinik stellte die Deutsche Rentenversicherung (DRV) jedoch fest, dass er eine abhängige Beschäftigung ausübe und daher Versicherungspflicht in der DRV bestehe. Gegen den Feststellungsbescheid klagte der Anästhesist. Er argumentierte, nicht abhängig beschäftigt gewesen zu sein, da er nicht an Besprechungen des Operationsteams habe teilnehmen müssen und sich auch den Operationssaal frei habe auswählen können. Zudem sei eine honorarärztliche Tätigkeit gesetzlich vorgesehen, die Ablehnung einer selbstständigen Tätigkeit würde eine massive Beschränkung der freien ärztlichen Berufsausübung bedeuten.

Sowohl das Sozialgericht als auch das Landessozialgericht folgten dieser Argumentation nicht und stützten sich in ihren Entscheidungen auf die Tätigkeit an sich. Ein Anästhesist sei in die Arbeitsorganisation der Klinik eingegliedert und nicht weisungsfrei tätig. Im konkreten Fall habe der Kläger auch die Arbeitsgeräte der Klinik genutzt, ohne die er seine Tätigkeit nicht hätte ausüben können. Zudem sei er Teil eines Teams aus Pflegekräften und Ärzten gewesen. Mit der Klinik habe er sich abgesprochen, auf welchen Stationen und in welchen Schichten er im Rahmen des im Krankenhaus organisierten Ablaufs tätig sein soll. Zudem habe der Anästhesist einen festen Stundenlohn erhalten und kein Unternehmerrisiko getragen.

Die Revision ist wie in solchen Fällen üblich nicht zugelassen. Daraus ergibt sich allerdings bundesweit betrachtet gerade in dieser Frage ein sehr heterogenes Bild – andere Landesozialgerichte entschieden trotz ausdrücklicher Würdigung der Anhaltspunkte für eine Scheinselbständigkeit genau entgegengesetzt. Als Beispiel sei auf ein Urteil des LSG Berlin von 2012 verwiesen. Hier erklärten die Richter, dass die Anhaltspunkte nicht per se für eine abhängige Beschäftigung sprächen. Selbst das Fehlen des Unternehmensrisikos wollte das LSG in Berlin nicht als entscheidend gelten lassen. Vielmehr zeige sich hier der Unterschied zu den „klassischen Spielarten“ der Selbständigkeit. Dieser bestehe darin, dass sie überwiegend im Dienstleistungssektor und dabei im Wesentlichen ohne Einsatz sächlicher Produktionsmittel ausgeübt würden. Auch hätten solche selbständig Tätigen keinen oder nur einen kleinen eigenen ausdifferenzierten Kundenkreis, häufig sogar nur einen oder zwei Auftraggeber. Wesentlich für die Entscheidung der Berliner Richter war zudem, dass der Anästhesist für seine Tätigkeit eine eigene Haftpflichtversicherung abgeschlossen hatte, sodass die jeweilige Klinik im Innenverhältnis auf ihn zurückgreifen konnte, ohne dass er die arbeitsrechtlichen Haftungsprivilegien für sich in Anspruch hätte nehmen können. (stp)

AZ: L 1 KR 394/15