Nur 1,3 ambulante Notfallkontakte pro Stunde an Notaufnahmen der Kliniken

Die Notaufnahmen an Krankenhäusern in Deutschland gelten als überlastet. Patient:innen, die sich dort selbst vorstellen, müssen oftmals mit längeren Wartezeiten rechnen. Dabei könnten nach Studienlage bis zu 50 Prozent der ambulanten Notfälle an Kliniken durch niedergelassene Ärzt:innen behandelt werden. Viele Notfallmediziner:innen, ärztliche Universitätsprofessor:innen und Politiker:innen wünschen sich deshalb ärztliche Bereitschaftspraxen an den Notaufnahmen. Diese sollen Akutfälle übernehmen, damit die Notaufnahmen mehr Zeit für die Behandlung echter Notfälle haben.

So findet sich auch in einem Positionspapier der Deutschen Krankenhausgesellschaft, an jedem Krankenhaus müsse von 7 bis 19 Uhr eine solche Bereitschaftspraxis eingerichtet werden. Dafür wären die Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) im Rahmen ihres Sicherstellungsauftrags für die ambulante ärztliche Versorgung verantwortlich. Tatsächlich haben die KVen schon an mehr als 600 Krankenhäusern Bereitschaftspraxen für die Abendstunden, Wochenenden und Feiertage eingerichtet, wenn die Arztpraxen normalerweise geschlossen sind.

Ein Blick in die Abrechnungsdaten zeigt, dass die Forderung nach zusätzlicher Präsenz niedergelassener Ärzt:innen tagesüber an den Kliniken keine Lösung ist: 2019 haben die Notaufnahmen rund 4,43 Millionen ambulante Notfälle abgerechnet, die Montag bis Freitag zwischen 7 und 19 Uhr behandelt worden sind. Nimmt man die größten 1.200 Notaufnahmen, so errechnen sich arbeitstäglich zwischen 7 und 19 Uhr im Schnitt 1,3 ambulante Patient:innenkontakte pro Stunde. Nur ein Viertel (300 Notaufnahmen) weist arbeitstäglich mehr als 1,7 solcher Kontakte pro Stunde auf. Das sind nicht einmal alle der rund 400 Notaufnahmen in Deutschland, die der erweiterten und der umfassenden Notfallversorgung zugerechnet werden. Nur 20 der 1.200 größten Notaufnahmen in Deutschland hatten im Jahr 2019 zwischen 7 und 19 Uhr mehr als 3,8 ambulante Patient:innenkontakte pro Stunde.

„Geht man davon aus, dass maximal die Hälfte der ambulanten Notfälle durch eine Bereitschaftspraxis versorgt werden könnte, würden Bereitschaftsärztinnen und -ärzte selbst in den meisten größeren und großen Notaufnahmen kaum Patientinnen und Patienten behandeln: In den 300 größten Notaufnahmen hätten Bereitschaftspraxen 2019 rechnerisch lediglich rund zehn Hilfesuchende im Zeitraum von zwölf Stunden erwarten dürfen. Unter 1.200 Notaufnahmen in Deutschland finden sich gerade einmal 20, an denen eine ärztliche Bereitschaftspraxis Montag bis Freitag zwischen 7 und 19 Uhr mit mindestens zwei Patientinnen und Patienten pro Stunde rechnen könnte. In der Regel wäre die arbeitstägliche Präsenz am Klinikum also keine effiziente Nutzung der ohnehin knappen hausärztlichen Kapazitäten“, sagte der Zi-Vorstandsvorsitzende Dr. Dominik von Stillfried.

Ebenfalls nicht effizient wäre es, solche Bereitschaftspraxen tagsüber in der Erwartung einzurichten, dass in diesem Fall mehr Patient:innen den Weg in die Notaufnahme finden werden, so von Stillfried weiter: „Notaufnahme und Bereitschaftspraxis würden dann bald zu einem Standort der ärztlichen Primärversorgung werden. Die angestrebte Entlastung der Notaufnahmen würde konterkariert. Genau das könnte aber der Wunsch hinter Forderungen nach mehr Bereitschaftspraxen sein: Wieder mehr Patientinnen und Patienten an die Krankenhäuser zu holen, nachdem die Inanspruchnahme der Kliniken in den letzten beiden Pandemie-Jahren stark nachgelassen hat.“ Wo dies nicht gewollt sei, könne eine effizientere Lösung nach Ansicht des Zi-Vorstandsvorsitzenden in der Weiterleitung der vertragsärztlich behandelbaren Patientinnen und Patienten in die Arztpraxen bestehen: „Aktuell wird vor Ort in den Regionen an geeigneten Lösungen gearbeitet. Der Gemeinsame Bundesausschuss kann diese Entwicklung fördern. Er ist bereits gesetzlich mandatiert worden, hierfür Vorgaben zu beschließen.“

(Quelle: Zi)