Die Werbung mit einem Verzicht auf die gesetzliche Zuzahlung bei medizinischen Hilfsmitteln ist zulässig. Das hat der für das Lauterkeitsrecht zuständige 1. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) entschieden. Er wies damit eine Klage der Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs gegen ein Handelsunternehmen zurück, das überwiegend Diabetikerbedarf vertreibt und damit warb, für ärztlich verordnete Hilfsmittel die gesetzlich vorgesehenen Zuzahlungen der Versicherten von fünf bis zehn Euro zu übernehmen. Die Wettbewerbszentrale sah darin eine unlautere Werbung und klagte dagegen zunächst erfolglos vor dem Landesgericht. In der Berufungsverhandlung wertete das Oberlandesgericht Stuttgart den Verzicht auf die Zuzahlung jedoch als eine im Gesundheitswesen verbotene Werbegabe.
Dieses Urteil hob der BGH nun auf und gab dem Onlinehändler Recht. Die Richter verwiesen in ihrer Begründung unter anderem auf den Zweck der gesetzlichen Zuzahlungspflicht. Sie diene der Kostendämpfung im Gesundheitswesen und „nicht dem Schutz der dort tätigen Mitbewerber“, heißt es in einer Mitteilung des Gerichts. Insofern könne die Einhaltung dieser Regeln „von vornherein nicht mit Mitteln des Lauterkeitsrechts durchgesetzt werden“. Vielmehr komme der Erlass der Zuzahlung, deren Höhe an den Abgabepreis gekoppelt ist, einem Rabatt gleich und Rabatte seien für nicht preisgebundene Arzneimittel, Medizinprodukte und andere Heilmittel erlaubt. Zudem stünden auch die gesetzlichen Regelungen zur Zuzahlung einem solchen Rabatt bei Hilfsmitteln nicht entgegen. Bei Hilfsmitteln ist der Verkäufer und nicht – wie bei apothekenpflichtigen Arzneimitteln – die Krankenkasse der Inhaber der Zuzahlungsforderung gegen die Versicherten. Da der Vergütungsanspruch des Hilfsmittelverkäufers gegen die Krankenkasse automatisch um die Zuzahlung gemindert wird, könne er über die Zuzahlungsforderung frei verfügen, mithin auch darauf verzichten.
Az.: I ZR 143/15