Unterlaufen einem Durchgangsarzt bei der Diagnose und der Erstversorgung Fehler, haftet für die Folgen der jeweilige Unfallversicherungsträger, da der Arzt in diesen Fällen immer in Ausübung seines öffentlich-rechtlichen Amtes tätig ist. Davon nicht erfasst ist die ärztliche Heilbehandlung. Das geht aus einem Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) hervor. Seine bislang gegenteilige Rechtsprechung gab der BGH damit auf.
Geklagt hatte ein Mann, der sich nach einem Arbeitsunfall in einem Krankenhaus von der Vertretung des Durchgangsarztes untersuchen und versorgen ließ. Die vertretende Kollegin diagnostizierte eine Prellung der Brustwirbelsäule. Sie verordnete Schmerzmittel und verwies den Mann zur allgemeinen Heilbehandlung an Vertragsärzte. Die Diagnose stellte sich als falsch heraus. Aufgrund anhaltender Beschwerden suchte der Kläger eine Woche später einen anderen Durchgangsarzt auf, der anhand weiterer Röntgenaufnahmen eine Fraktur der Lendenwirbelsäule feststellte und eine Operation anordnete.
Mit seiner Klage verlangte der Mann Schadenersatz vom ersten Durchgangsarzt. Die Fraktur hätte fachmännisch erkannt durch Ruhigstellung ohne Operation ausheilen können. Die Folgen der fehlerhaften Diagnose seien eine Minderbeweglichkeit der Wirbelsäule und eine dauerhafte Minderung der Erwerbsfähigkeit. Die zuständige Berufsgenossenschaft bewilligte neben dem Verletztengeld eine vorläufige Erwerbsminderungsrente von 20 Prozent.
Der BGH entschied nun, dass nicht der Durchgangsarzt, sondern der Unfallversicherungsträger – also die Berufsgenossenschaft – schadenersatzpflichtig ist. Der ursprüngliche Diagnosefehler habe im vorliegenden Fall zu einer unsachgemäßen weiteren Heilbehandlung geführt. Für die Haftungsfrage sei entscheidend, ob der Durchgangsarzt immer in Erfüllung seines öffentlichen Amtes tätig werde. Dies bejahten die Richter dahingehend, dass dessen Diagnose generell „diesem Amt zuzuordnen“ sei. Insofern hafte der Unfallversicherungsträger für Fehler in diesem Bereich. Führt der Diagnosefehler jedoch zu einer unsachgemäßen Heilbehandlung durch den Durchgangsarzt selbst, haftet dieser persönlich.
Az.: VI ZR 208/15