Eine Videoüberwachung in einer Zahnarztpraxis, die ungehindert betreten werden kann, unterliegt strengen Anforderungen an die datenschutzrechtliche Erforderlichkeit, urteilte das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG).
Die Klägerin ist Zahnärztin. Ihre Praxis kann durch Öffnen der Eingangstür ungehindert betreten werden; der Empfangstresen ist nicht besetzt. Die Zahnärztin hatte oberhalb dieses Tresens eine Videokamera angebracht. Die aufgenommenen Bilder konnten in Echtzeit auf Monitoren angesehen werden, die in den Behandlungszimmern platziert waren (sog. Kamera-Monitor-System). Die beklagte Landesdatenschutzbeauftragte gab der Zahnärztin u.a. auf, die Videokamera so auszurichten, dass der Patienten und sonstigen Besuchern zugängliche Bereich vor dem Empfangstresen, der Flur zwischen Tresen und Eingangstür und das Wartezimmer nicht mehr erfasst werden.
Das BVerwG hat die Revision der Zahnärztin aus im Wesentlichen folgenden Gründen zurückgewiesen: Die seit 25. Mai 2018 in allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union unmittelbar geltende Datenschutz-Grundverordnung (EU-DSGVO) fände keine Anwendung auf datenschutzrechtliche Anordnungen, die – wie im vorliegenden Fall – vor diesem Zeitpunkt erlassen worden seien. Der Bundesgesetzgeber habe die Zulässigkeit der Beobachtung öffentlich zugänglicher Räume mit optisch-elektronischen Einrichtungen (Videoüberwachung) vor dem 25. Mai 2018 durch § 6 b des Bundesdatenschutzgesetzes a. F. auch für private Betreiber abschließend geregelt. Nach Absatz 1 dieser Vorschrift setze die Beobachtung durch ein Kamera-Monitor-System auch ohne Speicherung der Bilder voraus, dass diese zur Wahrnehmung berechtigter Interessen des Privaten bzw. hier der Zahnärztin erforderlich ist und schutzwürdige Interessen der Betroffenen nicht überwögen. Die Zahnärztin habe bereits in der Vorinstanz nicht hinreichend dargelegt, für den Betrieb ihrer Praxis auf die Videoüberwachung angewiesen zu sein. Es bestünden keine tatsächlichen Anhaltspunkte, die ihre Befürchtung, Personen könnten ihre Praxis betreten, um dort Straftaten zu begehen, berechtigt erscheinen lassen. Die Videoüberwachung sei nicht notwendig, um Patienten, die nach der Behandlung aus medizinischen Gründen noch einige Zeit im Wartezimmer sitzen, in Notfällen betreuen zu können. Schließlich seien die Angaben der Zahnärztin, ihr entstünden ohne die Videoüberwachung erheblich höhere Kosten, völlig pauschal geblieben.
Fazit: Das BVerwG bezog sich im Rahmen der rechtlichen Beurteilung auf die alte Rechtslage zum Datenschutz. Insofern ist interessant, ob das Urteil auch nach den heutigen datenschutzrechtlichen Vorgaben von Relevanz wäre. Da sich die Videoüberwachung in einer ungehindert zugänglichen Arztpraxis nicht ausschließlich auf den persönlichen Bereich bezieht, würde die EU-DSGVO unmittelbar Anwendung finden. Als Rechtsgrundlage für eine Videoüberwachung dient in der Regel Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO; danach ist die Verarbeitung personenbezogener Daten nur dann rechtmäßig, wenn sie zur Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten erforderlich ist. Allerdings dürfen gleichzeitig nicht die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person überwiegen, die den Schutz der Daten erfordern. Die im streitgegenständlichen Fall getroffene Abwägung im Rahmen der Erforderlichkeit würde somit auch nach Einführung der neuen Rechtslage zum 25.05.2018 vergleichbar durchzuführen. Hinzu kämen -im Falle einer erforderlichen Videoüberwachung- im Vergleich zum bisherigen Bundesdatenschutzrecht stark erhöhte Transparenzpflichten der (Zahn)Arztpraxen als nicht-öffentliche Stellen. Über die Videoüberwachung wäre auf der Grundlage der Art. 13 und 12 ff. DSGVO ausführlich zu informieren.
BVerwG, Urteil vom 27.03.2019 (Az.: BVerwG 6 C 2.18)