Seit vielen Jahren engagiert sich Dr. Astrid Bühren – Mitglied des Hartmannbund-Gesamtvorstandes und von 2010 bis 2014 Mitglied des Geschäftsführenden Vorstandes des Hartmannbundes sowie Ehrenpräsidentin des Deutschen Ärztinnenbundes – für eine Reform des Mutterschutzrechts. Grundtenor: Der Mutterschutz darf nicht zum Berufsverbot werden. Nun liegt ein Gesetzentwurf vor, der sich genau dies zum Ziel gemacht hat. – Ein Beitrag von Dr. med. Astrid Bühren
Es ist eine klassische Situation: Wird eine Ärztin schwanger, geht ihr Arbeitgeber auf Nummer sicher – und untersagt ihr pauschal sämtliche Tätigkeiten im Operationssaal. Das erleben viele Frauen als „Berufsverbot“. Das Argument ist dabei immer, der Schutz des Kindes geht vor. Aber es ist natürlich auch immer die einfachste Lösung: Bereits nach aktueller Rechtslage sind eine individuelle Gefährdungsbeurteilung und eine entsprechende Arbeitsplatz(um)gestaltung vorgesehen. Doch das ist mit Aufwand verbunden und mit der Unsicherheit hinsichtlich versicherungs- und aufsichtsrechtlicher Konsequenzen belastet. In deutschen Kliniken mit Zeit- und Kostendruck fällt so etwas daher schnell unter den Tisch – aber auch aufgrund konservativer Denkschemata. Eine der unangenehmen Folgen ist, dass viele Ärztinnen – besonders in operativen Fächern – ihre Schwangerschaft solange wie möglich verheimlichen, damit sie zum Beispiel in ihrer Facharztweiterbildung vorankommen oder als Oberärztin nicht aus ihrer Position gedrängt werden.
Arbeitgeberpflichten genauer fassen
Daher ist es wichtig und ausdrücklich zu begrüßen, dass der Gesetzgeber hier politischen Mut und den Willen beweist und dieses für alle Beteiligten in der Tat sensible Thema nun angeht. Die Arbeitgeberpflichten müssen konkreter und übersichtlicher gefasst und die Beschäftigungsverbote grundlegend überarbeitet werden, um dem Wunsch vieler Frauen nach der Fortführung ihrer Berufsausübung auch während der Schwangerschaft und Stillzeit gebührend Rechnung zu tragen. Es muss jedoch auch gelingen, ein einheitliches Gesundheitsschutzniveau zu gewährleisten. Das mag paradox klingen, aber das ist nur dann möglich, wenn die spezifischen Belange der jeweiligen Berufsgruppe ausreichend Berücksichtigung finden.
Ich möchte das kurz erläutern: Das Mutterschutzgesetz bezieht sich im Grundsatz auf alle Berufsgruppen und man kann deshalb darin nicht alle nur denkbaren Problemlagen detailliert abbilden und kontinuierlich aktualisieren. In dem Gesetzentwurf findet sich zum Beispiel der Begriff der „unverantwortbaren Gefährdung“, die eine Tätigkeit für eine Schwangere unzulässig macht. Das aber ist ein weites Feld, das konkretisiert werden muss, und zwar wünschenswerter Weise in einem Umsetzungsleitfaden, der sowohl die spezifischen Besonderheiten einzelner Berufsbilder – zum Beispiel im Gesundheitswesen – berücksichtigt, als auch bundesweit einheitliche Regelungen ermöglicht.
Sollen problematische ärztinnenspezifische Tätigkeiten berücksichtigt und Arbeitsplätze konstruktiver und individueller so umgestaltet werden, dass der Beruf für schwangere und stillende Ärztinnen auch während der Mutterschaftsperiode attraktiv bleibt, müssen die Eigenheiten der ärztlichen Tätigkeit im Detail berücksichtigt werden, zum Beispiel zunächst einmal mit einem Postiv- oder Negativkatalog.
Ärztinnen stellen die Mehrheit der ärztlichen Berufseinsteiger, sie im Zusammenhang mit Schwangerschaft und Mutterschutz weiterhin zu demotivieren statt angemessen zu unterstützen, würde der flächendeckenden ambulanten und stationären ärztlichen Versorgung und damit dem Gesundheitswesen schaden!
Spezifische Situation im Gesundheitswesen berücksichtigen
Eine schwangere Chirurgin muss nicht an vorderster Front das schwer blutende Polytrauma operieren oder auf der Intensivstation reanimieren. Aber warum soll sie nicht bei Einhaltung definierter Sicherheitsstandards für Wahleingriffe eingesetzt werden, die sie auch für ihren Weiterbildungskatalog benötigt? Oder warum soll sie als Oberärztin nicht auch weiterhin anderen Kolleginnen und Kollegen assistieren oder als Anästhesistin Narkosen durchführen? Schließlich ist sie in hohem Maße fachkundig und kann selbstbestimmt die Risiken einschätzen. Und bei Wahleingriffen kann man vorab Risiken, gegen die eine Ärztin keinen Impfschutz hat, wie etwa Hepatitis C oder HIV, ausschließen.
Das lässt sich alles organisieren. Und der Referentenentwurf lässt hier auch keinen Zweifel: Für jeden Arbeitsplatz muss eine grundsätzliche Gefährdungseinschätzung vorliegen, im Falle einer gemeldeten Schwangerschaft muss dann möglichst zeitnah und in Zusammenarbeit mit der Schwangeren eine individuelle Gefährdungsbeurteilung des Arbeitsplatzes und gegebenenfalls eine Umgestaltung erfolgen. Ein Tätigkeitsverbot kann immer nur die allerletzte Maßnahme sein, die zudem entsprechend zu begründen ist. Entscheidend für den Einsatz von schwangeren Ärztinnen ist aus meiner Sicht, dass sie nicht völlig auf sich allein gestellt arbeiten müssen. Es muss gewährleistet sein, dass sie riskante Tätigkeiten mit Nothilfecharakter meiden, bei Röntgenaufnahmen den Raum verlassen können oder bei einer Reanimation sofort eine Ablösung bekommen.
Der Ärztinnenbund hat seine Bereitschaft zur Mitarbeit im laut Gesetzentwurf einzurichtenden „Ausschuss für Mutterschutz“ beim Bundesfamilienministerium bereits angeboten. Ich denke, dass selbst hoch motivierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in einem Ministerium das nicht alleine leisten können. Sie sind auf konkrete Kenntnisse und Beispiele aus der Berufspraxis angewiesen, um die Eigenheiten der ärztlichen Berufstätigkeit angemessen berücksichtigen zu können.
Keine beruflichen Nachteile für Schwangere
Was in jedem Falle zu vermeiden ist: Dass schwangere Ärztinnen organisatorische und strukturelle Benachteiligungen erfahren, die sie in ihrem beruflichen Fortkommen bremsen, zurückwerfen oder ganz ausbooten. Dies sind leider häufige und heute übliche psychische Belastungen im Berufsalltag von Schwangeren, und aus meiner Sicht ebenfalls riskant für den Schwangerschaftsverlauf. Auch darf aus unserer Sicht auf schwangere und stillende Frauen kein Druck ausgeübt werden. Sie sollen auch eigentlich erlaubte Tätigkeiten dann nicht ausführen müssen, wenn sie sich individuell zum Beispiel auf organisatorische und bürokratische Tätigkeiten konzentrieren wollen – und sie sollen ihre persönlichen Gründe dafür nicht offenlegen müssen.
Was mir persönlich wichtig ist: Will man Ärztinnen wirklich gleichberechtigt im Beruf halten – worüber inzwischen ein breiter Konsens herrscht –, ist auch der Zeitraum der Rückkehr an den Arbeitsplatz nach Entbindung und Mutterschutz entscheidend. Dann müssen Ärztinnen in ihrer Weiterbildung besonders gefördert werden. Es kann zum Beispiel nicht sein, dass sie sich bei der OP-Planung für bestimmte Eingriffe für die Facharztweiterbildung erstmal wieder ganz hinten anstellen müssen.
Und selbstverständlich sind noch weitere Verbesserungen an dem Gesetzentwurf nötig. Ich denke da vor allem an die Einbeziehung der Medizinstudentinnen [Link HB-PM] oder an finanzielle Regelungen für niedergelassene Ärztinnen während der Mutterschutzfrist – wie bereits in einer EU-Richtlinie von 2010 festgelegt –, die auch dazu dienen können, die flächendeckende ambulante Versorgung aufrechtzuerhalten.
Mein erklärtes Ziel war und bleibt es, dass keine schwangere oder stillende Ärztin berufliche Nachteile hinnehmen muss. Das ist auch das Ziel des Gesetzes und ich hoffe, dass die Zeiten, in denen junge Ärztinnen sich gezwungen sehen, ihre Schwangerschaft möglichst lange zu verheimlichen oder sogar zugunsten von gleichberechtigten Karrierechancen auf Kinder zu verzichten, nun bald vorbei sind.