Unter dem Motto „Gesundheitsversorgung – eine nationale Aufgabe im europäischen Kontext“ haben sich im Juli die Hartmannbund-Landesverbände Bayern, Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Saarland in Straßburg getroffen. Dr. Charles Schoenahl, Präsident des Ordre Des Médecins Du Bas-Rhin, berichtete zum Beispiel von der Gesundheitsversorgung im Elsass. Prof. George Samoutis M.D beleuchtete eingehend das zypriotische Health Care System. Von deutscher Seite war unter anderem Manne Lucha, Minister für Soziales, Gesundheit und Integration Baden-Württemberg, zu Gast und tauschte sich mit den Delegierten intensiv aus. Gemeinsam wurden die Fallstricke grenzüberschreitender Versorgung oder auch eine Zukunft mit bürokratiearmer Qualitätssicherung diskutiert.
Das zypriotische Gesundheitssystem hat einen grundlegenden Wandel durchlaufen, um universelle Absicherung, verbesserten Zugang und eine effiziente Nutzung der Ressourcen zu gewährleisten. Prof. George Samoutis, Experte für Allgemeinmedizin und Primärversorgung, erläutert die wichtigsten Veränderungen und die Rolle der mitfühlenden Versorgung in diesem neuen System. Er ist einer der Architekten dieses neuen Systems, da er neben seiner Tätigkeit in den Universitäten Nikosia / London und als Vorsitzender der Organisation Compassionate Medizin in der Kommission mitgearbeitet hat.
Die Gründe für die Umgestaltung des zypriotischen Gesundheitssystems im Juni 2019 waren vielfältig. Zuvor gab es keine universelle Gesundheitsabsicherung und keinen universellen Zugang zum Gesundheitssystem. Die Patienten mussten einen erheblichen Anteil der Kosten aus eigener Tasche finanzieren. Zudem kam es zu Überlastungen im öffentlichen Sektor mit langen Wartezeiten. Es fehlte an Koordination zwischen öffentlichem und privatem Sektor, was zu doppelter Infrastruktur und Ressourcenverschwendung führte. Es mangelte an Gesundheitsdaten, Transparenz und einem universellen IT-System. Auch ein robustes klinisches Qualitätsmanagementsystem fehlte.
Die Kernänderungen des neuen zypriotischen Gesundheitssystems umfassen die Integration des öffentlichen und privaten Sektors, um einen gesunden Wettbewerb und eine dramatische Reduzierung der Wartelisten zu erreichen. Durch die Zuwanderung von Ärzten aus dem Vereinigten Königreich, Deutschland und Griechenland konnte die Anzahl der Ärzte um 300 % gesteigert werden. Zudem wurden 10 neue Krankenhäuser eröffnet, um den Zugang zur Versorgung zu verbessern. Die Stärkung der primären Versorgung erfolgte durch die Einführung einer verpflichtenden Registrierung bei einem persönlichen Arzt für Erwachsene und einem Gemeinde-Kinderarzt für Kinder. Ein Qualitätsmanagementprogramm mit klinischen Richtlinien wurde eingeführt, um Präventionsprogramme zu verbessern. Ein universelles IT-System, eine universelle Absicherung und ein neues Finanzierungssystem wurden implementiert.
Die Verwaltung des neuen öffentlichen Gesundheitssystems erfolgt durch die Health Insurance Organisation (HIO), die von einem 13-köpfigen Direktorium geleitet wird. Die Zusammensetzung des Direktoriums gewährleistet Autonomie und Schutz vor politischer Intervention, um konsensbasierte Entscheidungen zu fördern.
Die Rolle des persönlichen Arztes im neuen zypriotischen Gesundheitssystem ist von großer Bedeutung. Der persönliche Arzt ist verantwortlich für die Grundversorgung mit Schwerpunkt auf Prävention und dient als Lotse im Gesundheitssystem. Aufgabe des Persönlichen Arztes ist es sicherzustellen, dass ein jeder eine adäquate Versorgung erhält. Durch die Registrierung bei einem persönlichen Arzt wird die Kontinuität und Vollständigkeit der Gesundheitsleistungen sichergestellt.
Das neue Gesundheitssystem ermöglicht die freie Arztwahl, wobei Patienten nach 6 Monaten zu einem anderen Arzt wechseln können. Jedoch darf ein persönlicher Arzt maximal 2.500 Patienten auf seiner Liste haben. Überweisungen erfolgen in die Fachrichtung, zu der der Patient überwiesen wurde, und der Patient kann den Facharzt seiner Wahl konsultieren. Das Gesundheitssystem finanziert verordnete Medikamente und Impfungen gemäß einem erweiterten Katalog, wobei das günstigste Präparat nach Wirkstoff und therapeutischer Klasse ausgewählt wird. Patienten haben jedoch die Möglichkeit, sich ein teureres Präparat verschreiben zu lassen, müssen jedoch die Differenz selbst tragen.
Erste Ergebnisse des neuen zypriotischen Gesundheitssystems zeigen eine hohe Patientenzufriedenheit, vergleichbar mit anderen EU-Staaten. Die Hauptherausforderungen liegen jedoch darin, dass 4 von 10 Ärzten keine Fachrichtung haben. Lösungen dafür sind zusätzliche Weiterbildungen und der weitere Ausbau der Infrastruktur.
Prof. George Samoutis betont die Bedeutung der mitfühlenden Versorgung in diesem neuen Gesundheitssystem: „Die mitfühlende Versorgung spielt eine zentrale Rolle, um den Patienten eine ganzheitliche und empathische Betreuung zu bieten. Sie umfasst die Gewährleistung einer sicheren, koordinierten und kontinuierlichen Versorgung, bei der der Patient im Mittelpunkt steht.“ Er führt weiter aus: „Mitfühlende Medizin ist nicht nur gut für die Patienten, sondern auch für die Helfenden“. Dank und Wertschätzung ist ein wichtiger Belohnungsfaktor in den sozialen Berufen. Mitfühlende Medizin verbessert zudem die Gesundheitskompetenz und Compliance der Patienten und verursacht last but not least geringere Kosten im Gesundheitssystem.
Dr. Charles Schoenahl, Präsident des Ordre Des Médecin Du Bas-Rhin, spricht über die Herausforderungen und Lösungsansätze in Bezug auf den Zugang zur medizinischen Grundversorgung im Elsass. Er betont die regionalen Unterschiede und die Maßnahmen, die ergriffen werden müssen, um medizinische „Wüsten“ zu verhindern.
Im Elsass haben 88,5 % der 1,9 Millionen Einwohner nur geringfügige Schwierigkeiten beim Zugang zur medizinischen Grundversorgung. Im Vergleich dazu betrifft dies landesweit jeden fünften Franzosen, der Durchschnitt in Frankreich liegt bei 82 %. Dennoch gibt es 210.000 Einwohner in 253 Gemeinden des Elsass, die mindestens eine Schwierigkeit beim Zugang zu Allgemeinmedizinern, Apotheken und Notdiensten haben. Von den 880 Gemeinden im Elsass gelten 20 als „medizinische Wüsten“.
Die Unterschiede zwischen dem Departement Bas-Rhin und Haut-Rhin sind signifikant. Im Departement Bas-Rhin leben 92 % der Bevölkerung in Gebieten ohne Schwierigkeiten beim Zugang zur medizinischen Grundversorgung, während es im Departement Haut-Rhin nur 83 % sind. Besonders herausfordernd ist die Situation für 90.000 Bas-Rhinois, die im Bruche-Tal und den Nordvogesen leben.
Einige Gemeinden im Elsass kämpfen mit allen drei Schwierigkeiten einer medizinischen Wüste, darunter schlechter Zugang zu einem Allgemeinmediziner, weit entfernte Apotheken und Notdienste, die mehr als eine Stunde entfernt sind. Beispiele dafür sind Niedersteinbach und Niederhausbergen. Während in Niedersteinbach die Einwohner im Durchschnitt nur 0,4 Arzttermine pro Jahr und Einwohner haben, verzeichnen die Bewohner von Niederhausbergen in der Nähe von Straßburg im Schnitt 8,6 Arztbesuche pro Jahr und Einwohner. Die Fahrtzeit zur nächsten Apotheke beträgt in den Nordvogesen 17 Minuten im Vergleich zum Durchschnitt von 5 Minuten im gesamten Departement. Die längste Fahrtzeit zu einem Notfallzentrum beträgt 55 Minuten.
Es gibt im Departement Bas-Rhin insgesamt 1.235 praktizierende Allgemeinmediziner für 1,13 Millionen Einwohner. Davon praktizieren 399 in Straßburg, 40 in Haguenau und 37 in Schiltigheim. Das Departement verfügt über 273 Apotheken, wobei 78 in Straßburg und 10 in Haguenau ansässig sind.
Zur Bekämpfung des Ärztemangels werden verschiedene Maßnahmen ergriffen, wie die Förderung von Gruppenpraxen und koordinierten Praxen in pluriprofessionellen Gesundheitszentren, der Einsatz von weitergebildeten Krankenschwestern und Krankenpflegern (IPA), die Suche nach Partnerschaften zwischen Gemeinden, dem Departement und den Gesundheitsberufen sowie der Einsatz von Telemedizin. Dr. Charles Schoenahl betont die Herausforderungen im Elsass beim Zugang zur Gesundheitsversorgung, darunter die Vertiefung territorialer Ungleichheiten, den Rückgang der Attraktivität freiberuflicher Tätigkeiten und die Konzentration von Fachärzten in städtischen Gebieten.
Er erklärt: „Es ist wichtig, dass wir Maßnahmen ergreifen, um die regionale Gesundheitsversorgung zu verbessern und medizinische Wüsten zu verhindern. Die Zusammenarbeit zwischen Gemeinden, dem Departement und den Gesundheitsberufen ist von entscheidender Bedeutung, ebenso wie der Einsatz moderner Technologien wie Telemedizin. Wir müssen auch die Attraktivität ländlicher Gebiete für junge Ärzte steigern, um sicherzustellen, dass alle Einwohner des Elsass Zugang zu einer angemessenen medizinischen Versorgung haben.“
Die Zusammenarbeit im Gesundheitswesen zwischen Frankreich und Deutschland wird weiterhin gefördert, insbesondere in der Oberrheinregion. Es gibt bereits 165 deutsche Ärzte, die im Elsass tätig sind, und weitere Pläne zur Verbesserung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit.
Der Medizinische Dienst Baden-Württemberg (BW) setzt sich aktiv für eine innovative und bürokratiearme Qualitätssicherung in der Gesundheitsversorgung ein. Dr. Thomas Rösel, Leitender Arzt des Medizinischen Dienstes, betont die Bedeutung einer effizienten und effektiven Qualitätssicherung im Rahmen der aktuellen Formen der Qualitätssicherung im SGB V und dem Krankenhausstrukturgesetz.
Der Medizinische Dienst arbeitet auf Grundlage der MD-Qualitätskontroll-Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) und kontrolliert die Einhaltung von Qualitätsanforderungen (Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität) in spezifischen medizinischen Bereichen wie z.B. die Früh- und Reifgeborenenversorgung, die minimal invasive Herzklappeninterventionen, die Kinderherzchirurgie, die Liposuktion bei Lipödem im Stadium III, und vielen weiteren.
Dr. Rösel betont, dass bei Nichteinhaltung der Qualitätsanforderungen ein gestuftes System von Folgen greift, wie in der Qualitätsförderungs- und Durchsetzungs-Richtlinie (QFD-RL) des G-BA festgelegt. Es werden zunächst fördernde Maßnahmen zur Beratung und Unterstützung ergriffen, wie schriftliche Empfehlungen, Zielvereinbarungen, Teilnahme an Fortbildungen, Fachgespräche und Implementierung von Qualitätsstandards. Bei wiederholten oder besonders schwerwiegenden Verstößen können Durchsetzungsmaßnahmen wie Vergütungsabschläge, Wegfall der Vergütung und Information Dritter erfolgen.
Der Medizinische Dienst Baden-Württemberg setzt auch auf den Dialog und die Zusammenarbeit mit den Einrichtungen, um die Qualität zu verbessern. Beispielsweise finden Qualitätsprüfungen in Pflegeeinrichtungen statt, bei denen Fachgespräche mit den Pflegekräften geführt werden, um gemeinsam Verbesserungspotenziale zu identifizieren. Bei auffälligen Qualitätsindikatoren im Rettungsdienst leitet die beim Medizinischen Dienst Baden-Württemberg angesiedelte Stelle für trägerübergreifende Qualitätssicherung im Rettungsdienst (SQR) BW einen gestuften Qualitätsdialog ein.
Die innovative und bürokratiearme Qualitätssicherung des Medizinischen Dienstes hat im Blick, effiziente und effektive Verfahren einzusetzen, den Dokumentationsaufwand zu verringern und vorhandene Daten zu nutzen. Durch den digitalen Dokumentenaustausch, das Auslesen von digitalen Daten und die Weiterentwicklung des standardisierten Austauschverfahrens kann der Aufwand zukünftig reduziert werden. Zudem sollen Doppelprüfungen vermieden und bestehende Daten verwendet werden, um den Nutzen für die Patientenversorgung zu maximieren.
Dr. Rösel betont, dass zukünftig der Fokus auf qualitätsfördernden Maßnahmen liegen könnte, in dem den Krankenhäusern ein mehrschrittiger Qualitätsdialog angeboten wird, um gemeinsam Lösungen zu finden vergleichbar den Vorgaben in der QFD-Richtlinie und dem Vorgehen der SQR Baden-Württemberg.
Dr. med. Robin T. Maitra, M.P.H., Schriftführer im Vorstand der Landesärztekammer Baden-Württemberg, spricht über die Herausforderungen und innovativen Ansätze in der Gesundheitsversorgung. Er betont die Bedeutung einer nationalen Zusammenarbeit im europäischen Kontext und präsentiert aktuelle Entwicklungen in der Landesärztekammer Baden-Württemberg.
Dr. Maitra weist auf die Bevölkerungsentwicklung hin und präsentiert statistische Daten zur Anzahl der Ärzt:innen in Deutschland. Er erwähnt auch Arbeitszeitmodelle in der Medizin und die Anzahl der Behandlungsfälle sowohl ambulant als auch stationär.
Die Gesundheitsausgaben werden ebenfalls thematisiert, wobei die gesetzliche Krankenversicherung, die Pflegeversicherung und die private Krankenversicherung berücksichtigt werden. Zudem wird auf die Rolle von Private Equity im Gesundheitswesen und die Entwicklungen im Gesundheitswesen eingegangen.
Dr. Maitra stellt einige Probleme im Gesundheitssektor vor, darunter steigende Bedarfe, Zugangssteuerung in der Regel- und Notfallversorgung, Teilzeitmodelle von Ärzt:innen, Nachwuchsmangel, Fachkräftemangel, Gewinnorientierung ohne messbaren Qualitätszuwachs und dringender Reformbedarf. Er betont auch die strukturelle Bewältigung von Herausforderungen wie dem Klimawandel und Pandemien.
Als Lösungsansätze werden wohnortnahe gemeinschaftliche Versorgung in Medizinischen Versorgungszentren (MVZs), Genossenschaften und Partnerschaften unter ärztlicher Leitung vorgeschlagen. Es wird auf sichere Pfade, regionale intersektorale kooperative Strukturen, funktionierende Digitalisierung, Delegation von Leistungen und Bürokratieabbau hingewiesen. Zusätzlich werden kreative Arbeitszeitmodelle, Förderung, Teamarbeit und Qualifizierungsmöglichkeiten zur Gewinnung von Nachwuchs genannt.
Dr. Maitra präsentiert auch Modellprojekte wie intersektorale Gesundheitszentren und sektorenübergreifende Versorgung in Baden-Württemberg als Beispiele und Ansätze für eine verbesserte Gesundheitsversorgung.
Jörg Martin, Geschäftsführer der RKH-Gruppe, spricht über die Herausforderungen und innovativen Ansätze in der Gesundheitsversorgung. Er betont die Bedeutung einer nationalen Zusammenarbeit im europäischen Kontext und präsentiert die aktuellen Entwicklungen innerhalb der RKH-Gruppe.
Die RKH-Gruppe umfasst neun Kliniken, ein geriatrisches Rehabilitationszentrum, sechs Medizinische Versorgungszentren (MVZ) und ca. 20 Arztsitze. Im Jahr behandelt die RKH-Gruppe rund 140.000 stationäre Patienten, 400.000 ambulante Patienten und 220.000 Patienten in der Notaufnahme. Mit etwa 11.000 Mitarbeitern erwirtschaftet die Gruppe einen Umsatz von rund 1,1 Milliarden Euro.
Martin weist auf die Kosten im deutschen Gesundheitswesen hin und vergleicht die Lebenserwartung in der EU. Deutschland belegt dabei den 20. Platz mit einer durchschnittlichen Lebenserwartung von 80,9 Jahren. Er betont auch das ambulante Potenzial und die Notwendigkeit, Leistungen zu konzentrieren und Krankenhäuser zu schließen.
Das Krankenhausreformgesetz markiert laut Martin den Beginn einer Revolution in der Krankenhausplanung und Versorgung. Durch eine tiefgreifende Wandlung sollen Leistungen konzentriert und 300-600 Krankenhäuser geschlossen werden.
Die RKH-Gruppe setzt auf innovative Ansätze wie Künstliche Intelligenz (KI) und Robotik in der Diagnostik und im OP. Sie beschäftigt sich auch mit neuen Themen wie individualisierter Medizin, Gen-Diagnostik und dem Einsatz von Drohnen zum Labortransport. Die Digitalisierung spielt eine zentrale Rolle, insbesondere im Bereich der Telemedizin und der elektronischen Gesundheitsakte.
Martin stellt die Ziele der RKH-Gruppe vor, darunter den Aufbau eines umfassenden Leitsystems, das als Gatekeeper fungiert und Patienten telemedizinische Behandlungen ermöglicht. Die RKH-Gruppe strebt eine vernetzte Versorgung und eine vernetzte Medizin an, betont jedoch die Notwendigkeit einer funktionierenden digitalen Infrastruktur.
Abschließend nennt Martin seine Wünsche an die Politik, darunter eine konsequente Krankenhausreform, eine bessere Gesundheitsreform mit beiden Sektoren, eine effektive Digitalisierung und eine Anpassung des Datenschutzes im Gesundheitsbereich.
Die Sicherstellung einer hochwertigen Gesundheitsversorgung ist ein Thema von großer Bedeutung und wird kontinuierlich in der gesundheitspolitischen Diskussion behandelt. Angesichts begrenzter Ressourcen wird die Versorgungsqualität zunehmend wichtiger, und es ist entscheidend, diese Ressourcen entlang des Behandlungsprozesses effizient einzusetzen, zum Wohl der Patientinnen und Patienten.
Klar ist, dass konsequente Qualitätsstrukturvorgaben für alle Leistungsbereiche in der Krankenhausversorgung bisher fehlen. Zudem mangelt es im deutschen Gesundheitssystem bisher an regelhaften sicherheits-, lern- und verbesserungsbezogenen Konsequenzen für sogenannte „never events“. Die transparente und laienverständliche Darstellung von Qualität sowie die Berücksichtigung der Sichtweise der Patientinnen und Patienten werden ebenfalls als Defizite genannt. Es wird betont, dass alle Möglichkeiten der Digitalisierung genutzt und eine Lernkultur etabliert werden sollten.
Ein erfolgreiches Beispiel für die Verbesserung von Qualität in der Gesundheitsversorgung ist die Schlaganfallversorgung in Baden-Württemberg. Hier werden 98 % der Schlaganfälle in Krankenhäusern mit hoher Expertise behandelt. Im Vergleich zu 2011 ist die Sterblichkeitsrate durch Schlaganfälle im Jahr 2021 um 12 % gesunken. Dies ist unter anderem auf die Schlaganfallkonzeption des Landes mit klaren Strukturvorgaben und das seit 2004 bestehende Landesverfahren zur Qualitätssicherung in der Schlaganfallversorgung zurückzuführen.
Ausblickend auf die Zukunft wird betont, dass eine innovative und bürokratiearme Qualitätssicherung einen wichtigen Beitrag zur Verbesserung der Gesundheitsversorgung leisten kann. Es wird die Frage aufgeworfen, ob wir die richtigen Aspekte messen, beispielsweise im Bereich der Gendermedizin. Zudem wird darauf hingewiesen, dass gute Qualität von den richtigen Rahmenbedingungen begünstigt wird und dass die Vergütungssysteme keine Fehlanreize schaffen sollten. Es werden innovative Vertragsmodelle zur Belohnung von Qualität und die konsequente Nutzung der Digitalisierung, einschließlich Künstlicher Intelligenz, Datenerfassung, elektronischer Patientenakte und Datenübertragung, empfohlen.
Insgesamt steht die Qualitätssicherung im Fokus, um eine bessere Gesundheitsversorgung für alle zu gewährleisten.
Zitat von Nadia Mussa: „Die Sicherstellung einer hochwertigen Gesundheitsversorgung ist eine nationale Aufgabe, die wir im europäischen Kontext angehen müssen. Wir sollten innovative und bürokratiearme Qualitätssicherungsmaßnahmen implementieren, um die Versorgungsqualität effizient zu verbessern und den Bedürfnissen der Patientinnen und Patienten gerecht zu werden.“
Winfried Plötze, Landesgeschäftsführer der BARMER in Baden-Württemberg, spricht über die aktuellen Herausforderungen bei der Finanzierung des Gesundheitswesens. Er betont die bereits ergriffenen Maßnahmen der Bundesregierung zur Gegensteuerung und gibt einen Ausblick auf zukünftige Entwicklungen.
Die Finanzierungslücke der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) ist eine der zentralen Herausforderungen. Die Bundesregierung hat bereits verschiedene Maßnahmen ergriffen, um dem entgegenzuwirken. Dazu gehören ein zusätzlicher Bundeszuschuss von 5 Milliarden Euro im Jahr 2021, die Übertragung der Finanzreserven der Krankenkassen von rund 8 Milliarden Euro, sowie eine Erhöhung des durchschnittlichen Zusatzbeitragssatzes um 0,2 Prozentpunkte im selben Jahr.
Für das Jahr 2022 wurde ein zusätzlicher Bundeszuschuss in Höhe von 14 Milliarden Euro bereitgestellt, um die Sozialgarantie von 40 % Gesamtsozialversicherungsbeitrag zu gewährleisten und die pandemiebedingten Mehrausgaben zu begleichen. Auch für 2023 sind weitere Maßnahmen zur Stabilisierung der GKV-Finanzierung vorgesehen, darunter ein zusätzlicher Bundeszuschuss in Höhe von 2 Milliarden Euro, ein Darlehen des Bundes in Höhe von 1 Milliarde Euro und eine Erhöhung des durchschnittlichen Zusatzbeitrags um 0,3 Prozentpunkte.
Um die Finanzierung weiter zu sichern, wurden zusätzliche Maßnahmen wie die Eindämmung der Verwaltungsausgaben, eine Solidaritätsabgabe pharmazeutischer Unternehmen und die Verlängerung des Preismoratoriums beschlossen.
Für eine nachhaltige Finanzierung der GKV ab dem Jahr 2024 wird ein Gesetzentwurf erwartet. Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) hat im Juni dieses Jahres seine Vorschläge zur regierungsinternen Abstimmung vorgelegt. Der GKV Spitzenverband prognostiziert für das Jahr 2024 ein Defizit in Höhe von 3,5 bis 7 Milliarden Euro. Während Gesundheitsminister Lauterbach Forderungen nach Leistungskürzungen ablehnt, lehnt Finanzminister Lindner eine Erhöhung der Steuerzuschüsse an die GKV ab.
Plötze betont die Notwendigkeit einer nachhaltigen Finanzierung des Gesundheitswesens und erklärt: „Es ist wichtig, dass wir gemeinsam Lösungen finden, um die Finanzierungslücke zu schließen und eine qualitativ hochwertige Versorgung für alle Versicherten zu gewährleisten. Die kontinuierliche Überprüfung und Anpassung der Finanzierungsmechanismen sind dabei unerlässlich.“
Lena Weidinger, Geschäftsbereichsleiterin Versorgung der AOK Baden-Württemberg, spricht über die Herausforderungen und Fallstricke bei der grenzüberschreitenden Gesundheitsversorgung. Insbesondere die Vielfältigkeit der Konstellationen und die über die EU-Verordnung bzw. durch bilaterale Sozialversicherungsabkommen koordinierten Sachleistungsansprüche stellen Patientinnen und Patienten, aber auch Leistungserbringer im Alltag vor Herausforderungen. Entscheidend sei, dass für eine effektive grenzüberschreitende Leistungsaushilfe jeweils die richtige Anspruchsbescheinigung (elektronische Gesundheitskarte (eGK), European Health Insurance Card (EHIC) oder Nationaler Anspruchsnachweis) zum Zeitpunkt der Leistungsabgabe, etwa der ärztlichen Behandlung, vorliegt und dokumentiert ist.
Sie betont dabei die Bedeutung einer effektiven und effizienten Zusammenarbeit, inklusive eines sicheren und reibungslosen Datenaustauschs zwischen den beteiligten Versicherungsträgern. Seit 2021 wurde innerhalb der EU/EWR/CH und UK schrittweise der Electronic Exchange of Social Security Information (EESSI) eingeführt. Diese elektronische Form des Datenaustauschs ermöglicht einen schnellen, einfachen und sicheren Austausch von Informationen zum Versicherungsumfang und -schutz in der Sozialversicherung. Er ersetzt die bisherigen papierbasierten Vordrucke und ermöglicht gleichzeitig eine direkte elektronische Verarbeitung in den angeschlossenen Systemen der Sozialleistungsträger. Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass die Nutzung des EESSI ausschließlich für Sozialversicherungsträger und Behörden vorgesehen ist, die wiederum die Ärztinnen und Ärzte bei Rückfragen unterstützen können.
Im Hinblick auf die Verbesserung der grenzüberschreitenden Gesundheitsversorgung arbeitet die AOK Baden-Württemberg aktiv an verschiedenen Projekten mit. Ein Beispiel ist TRISAN, ein trinationales Kompetenzzentrum für grenzüberschreitende Zusammenarbeit im Gesundheitsbereich mit Sitz in Kehl (Baden-Württemberg), das durch die Entwicklung von Patientenleitfäden zum einen praktische Bürgerinformationen zur Verfügung stellt, aber auch durch Kooperationsprotokolle die Verwaltungsverfahren über Grenzen hinaus erleichtert. Lena Weidinger betont die Bedeutung dieser Projekte und ergänzt: „Es ist entscheidend, dass wir die Möglichkeiten der Digitalisierung nutzen, um den Datenaustausch und die Zusammenarbeit zwischen den Ländern zu erleichtern. Durch die kontinuierliche Weiterentwicklung und Implementierung grenzüberschreitender Versorgungslösungen können wir zudem die Gesundheitsversorgung in den Grenzregionen effizienter und patientenorientierter gestalten.“